Soziale Medien sind ein Gesprächsmedium, Bücher sind ein Gesprächsthema, es ist höchste Zeit, dass man das miteinander verknüpft. Sascha Lobo
Ich muss gestehen dass ich die Diskussion um Papierbuch vs. digitale Angebote schon länger nicht mehr verfolgt habe. Eigentlich hat sich seit „You´ve got Mail“ (1989!) in dem Meg Ryan als idealistische Buchhändlerin mit Tom Hanks als Vertreter der Einzelhandelsschädigenden Mega-Buchhandelskette auch nichts Grundlegendes in der Diskussion der zwei Fronten bewegt … oder?
Die Player ändern sich natürlich, und schon längst haben auch hiesige Ketten wie der Hugendubel eigene Tablets herausgebracht. Ich sehe das demokratisch, seitdem ich gemerkt habe, dass auch eingefleischte Digitals gebundene Klassiker beim Trödler kaufen oder ein Fachbuch als Paperback bestellen. Mal im Vorbeilaufen beim Buchhändler, mal neu oder gebraucht bei einem in- oder ausländischen Internethändler über den „Riesen“.
Es lebe die Vielfalt und die freie Wahl des Lesers!
Nachdem ich mich zwei oder drei Weihnachten gegen einen eReader gesträubt hatte, bin ich inzwischen begeistert von den spontan möglichen kostenlosen digitalen Leseproben, die mir schon die ein oder andere schlaflose Stunde bereichert haben. Auf der anderen Seite, was spricht dagegen Bücher beim Lieblingsbuchhändler im Viertel zu bestellen? Meiner hat nachgerüstet und steht Amazon in Schnelligkeit und Auswahl nach meinen rein subjektiven Stichproben in nichts nach. Die Bestellung ist online möglich, Lieferung in die Buchhandlung kostenlos und natürlich ein Anreiz mal wieder vorbeizuschauen und ein bisschen Bücherluft zu schnuppern.
Ein neuer Weg wurde gerade auf der Frankfurter Buchmesse vorgestellt und kommt von Sascha Lobo und Geschäftspartnern. Sobooks will die nichtdigitale mit der digitalen Welt versöhnen und die Diskussionen um und über Bücher in das Buch selbst (in Form von Websites) hineinbringen. Verlagen und Autoren soll das Social Reading neue Vermarktungsmöglichkeiten geben. Lesern soll eine vom Endgerät unabhängige Plattform und Diskussionsmöglichkeit gegeben werden. Klingt bis dahin ganz einleuchtend. Der Ideengeber und Gründer erklärt das ganze freilich viel schlagkräftiger und quasi sozialverträglich für alle Seiten und nimmt Datenschützern, Autoren- und Leserbedenken schon mal den Wind aus den Segeln:
Hier meine Lieblingssätze aus den Interviews mit Faz.net, Zeit online und t3n:
„In Deutschland entzünden sich große gesellschaftliche Diskussionen oft an Büchern: Hegemann, Sarrazin, Roche, Schirrmacher (…). Einen Teil solcher Debatten wollen wir künftig ins Buch verlagern. (…) Dadurch wird es weniger interessant, das Buch „raubzukopieren.“
„Zum anderen kann man als Autor eine Profilseite anlegen und dort künftige Buchprojekte vorstellen. Die Leser können diese Bücher zum Vorzugspreis vorbestellen. Ein superaltes Instrument, die Subskription, Klopstock hat das schon gemacht. Vor allem aber ist es Crowdfunding ohne den Beigeschmack des Bettelns.“
„Wir denken, dass das Netz in der Lage ist, das Originalwerk neu zu denken. Deshalb führen wir von Anfang an ein neues Produkt ein: das Cobook. Dazu wählen wir Autoren aus, die in ein bestehendes Buch direkt in den Textfluss hinein kommentieren. Dabei entsteht auch ein neuer Markt: Goethe ist kein verkäufliches E-Book, weil es Goethe überall umsonst gibt. Aber Goethe kommentiert von Nils Minkmar wäre sicher ein verkaufbares Produkt. Oder Das Kapital, kommentiert von Jan Fleischhauer und Jakob Augstein, ich glaube, dafür würden Leute bezahlen.“
Quelle: http://www.zeit.de/kultur/literatur/2013-10/sobooks-sascha-lobo-social-reading-ebooks-amazon/seite-2
„Wie so oft, wenn neue Kulturlandschaften entstehen, vermischen sich die Rollen. Was vorher klar abgegrenzt schien – aber oft ohnehin nicht war -, wird nun neu zusammengewürfelt. Deshalb bauen wir mit Sobooks eine Plattform im Netz auf (…). Mit dem einen großen Ziel, das Buch als verkaufbares Kulturprodukt im Digitalen zu erhalten. (…) In der Folge bin ich (…) zu etwa neunzig Prozent Buchhändler auf neuartige Weise und zu etwa zehn Prozent eine Art Verleger.“
„Ein Buch kann, rein technisch betrachtet, auch die Form einer speziellen Webseite annehmen. Vielleicht muss es das sogar, um mit dem Netz seinen vollen wirtschaftlichen und kulturellen Mehrwert auszuschöpfen. Und um nicht gegen das Netz spielen zu müssen mit so albernen Technologien wie hartem DRM, also Kopierschutz für technische Laien.“
Quelle: http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/interview-mit-sascha-lobo-wie-wir-lesen-werden-12605143.html
„Die Mischung aus E-Book-Handlung und sozialem Lesernetzwerk will (…) nichts Geringeres als unsere Lesegewohnheiten umkrempeln. Zum Start sollen Lesern etwa 20 Bücher zur Verfügung stehen, die allesamt von anderen Verlagen stammen (…). Über eine Heatmap kann man sich außerdem in einem Buch anzeigen lassen, welche Seiten eines Buchs besonders heftig diskutiert werden.“
„Unter dem Namen Cobooks wollen die Macher außerdem gemeinfreie Werke verkaufen, die um Kommentare von bekannten Autoren erweitert wurden. Vermarktet werden sollen diese und alle anderen Bücher letztlich über die sozialen Kanäle. Die einfache Verlinkbarkeit und die Integration von Kommentaren sollen das ermöglichen. Daher sehe man sich bei Sobooks auch als Post-Amazon, da der Versandhändler den sozialen Aspekt des Lesens nicht beachte.“
Quelle: http://t3n.de/news/sobooks-sascha-lobos-idee-501149/
Beta-Testprogram für Social Reading-Experiment startet
Laut der gerade gelaunchten Website wird die „Closed Beta-Phase am letzten Tag der Frankfurter Buchmesse starten. Die Registrierung bei Sobooks ist dann zwar nur mit einem Code möglich, die Plattform wird aber für die Öffentlichkeit zugänglich sein“. Wer wie was in das Beta-Testprogramm aufgenommen wird, habe ich noch nicht rausgefunden, aber ich bin schonmal als Leser registriert und gespannt, wer sich dort alles tummeln wird. Die Aussicht für Autoren, bereits vor der Fertigstellung, Feedback zu bekommen macht mich jedenfalls neugierig bei wem das Angebt ankommen wird. Sicherlich gibt es genügend digital aufgeschlossene Literaturliebhaber und -produzenten. Und weil der deutsche Markt im Vergleich zurückhaltender ist was solche Angebote betrifft, ist mit Random House auch ein internationaler Verlag dabei.
Fotos: Frankfurter Buchmesse 2013, von Peter Hirth; Sascha Lobo, von Matthias Bauer CCBY-SA 2.0